Über Autismus


Die Gehirne von Autisten arbeiten aus neuronalen Gründen etwas anders als die anderer Menschen. Hierdurch können sie Dinge überfordern, welche anderen Menschen leichtfallen, aber ebenso auch umgekehrt! Und auch ihr Erleben der Umweltreize, ihr Blick auf die Welt und ihre Art, Dinge und Situationen zu analysieren, kann vom Standard abweichen. Allerdings heißt anders und von der Norm abweichend nicht unbedingt schlechter!
Autismus ist ein großes Spektrum mit vielfältiger Symptomausprägung, daher spricht man heutzutage auch von Autismus-Spektrum-Störung. Alle früheren Begriffe für unterschiedliche Ausprägungsformen wie beispielsweise Asperger-Syndrom, frühkindlicher Autismus und atypischer Autismus sind hierin eingeflossen. Somit zählen auch diese als Teil des Spektrums.
Leider sorgt diese Vielfalt auch häufig für Missverständnisse. Nicht jeder Autist ist in seiner Intelligenz oder Sprachfähigkeit eingeschränkt, auch wenn manche ein Auftreten haben, welches anderes vermuten lässt. Einige sind sogar hochintelligent!
Autisten haben ein individuelles, wenn auch oft recht ungewöhnliches Stärken-Schwächen-Profil. Während seltsam anmutende Schwächen leicht für Spott sorgen und auch dafür, dass Leute anfangen ungerechtfertigt die Kompetenzen der Person in ihrer Gesamtheit in Frage zu stellen, haben Autisten auch viele Stärken und oftmals sogar besondere Talente, mit denen sie sich nutzbringend einbringen möchten, auch wenn ihnen hierdurch oft mit Neid und Irritation begegnet wird.

Dadurch, dass Autismus, obwohl es sich um eine in der Regel angeborene neuronale Störung handelt, in einem Manual für psychische Krankheiten gelistet ist und dort vorrangig anhand von typischen Verhaltensweisen von Autisten (unabhängig von deren Gründen und Auslösern) beschrieben wird, kann leicht der Trugschluss entstehen, es würde sich um eine Verhaltensstörung oder ein Verhaltensproblem handeln. Das ist jedoch nicht korrekt! Die Probleme liegen auf neuronaler Ebene, beispielsweise indem bestimmte empfangene Sinnesreize vom Gehirn deutlich verzögert, zu stark, zu gering, zu ungenau, zu übergenau oder überhaupt nicht verarbeitet werden.
Trotz ihrer Besonderheiten sind Autisten geistig gesund und ihr Verhalten ist durchaus als rational und zweckerfüllend einzustufen. Das gilt erstrecht für Autisten mit durchschnittlicher bis hoher Intelligenz. Doch selbst Menschen mit starken kognitiven Einschränkungen handeln nicht grundlos. Die Herausforderung besteht vielmehr darin, die besonderen Bedürfnisse einer autistischen Person zu verstehen, um auf Grundlage dessen die Zweckmäßigkeit ihrer Handlungen zu begreifen, egal wie ungewöhnlich diese erscheinen mögen.
Die als ungewöhnlich erlebten Verhaltensweisen von Autisten sind lediglich Strategien, um mit ihren Besonderheiten zurechtzukommen. Ihnen diese abtrainieren oder unter Strafandrohung verbieten zu wollen hieße somit das Pferd von hinten aufzuzäumen bzw. das Problem lediglich zu deckeln statt es zu lösen, was dann dazu führen kann, dass die Person innerlich verstärkt leidet, da ihr ihre Kompensationsstrategien genommen wurden, aber es nach außen hin nicht mehr zeigen kann bzw. darf und dies mit der Zeit wohlmöglich sogar komplett verlernt.
Während das Umfeld dann den Eindruck gewinnt, dass nun alles in Ordnung sei, da die Person sich nun recht unauffällig verhält, und entsprechend auch ihre besonderen autismusbedingten Bedürfnisse weder erkannt noch berücksichtigt werden, leidet die Person innerlich weiter und muss sich enorm anstrengen, sich so zu verhalten als sei sie nicht autistisch, was langfristig zu Burnout und zu tatsächlichen psychischen Krankheiten führen kann und dies mitunter sogar bereits im Schulalter.
Um dies zu verhindern, sollte man nicht versuchen alles „erzieherisch“ oder durch therapeutisches Verhaltenstraining zu lösen. Stattdessen sollte man bei starken Verhaltensauffälligkeiten die auslösenden Stressfaktoren identifizieren und reduzieren, damit das Störverhalten entsprechend die Chance hat sich von alleine zu reduzieren. Zudem sollte man Verhalten, das zwar ungewöhnlich und normabweichend aber nicht schädigend ist und ein gesundes Maß nicht überschreitet, akzeptieren, damit jeder so leben kann, wie es demjenigen behagt.
Wichtig ist, Autisten in ihrer Vielfalt und ihrem Anderssein zu akzeptieren und eine Lebensumgebung zu schaffen, in der auch sie sich wohlfühlen und ihre bestmögliche Leistung zeigen können, so dass sie ohne unüberwindbare Schwierigkeiten als Teil der Gesellschaft agieren können. Auf diese Art können sich bedenkliche Verhaltensweisen wie gesagt von alleine reduzieren, während harmlose normabweichende Verhaltensweisen auf mehr Akzeptanz stoßen und somit als zweckdienlich erhalten bleiben dürfen.
Gesellschaftlicher Umgang mit Autismus
Häufig werden Autisten bereits ab dem Schul- oder sogar Kindergartenalter vor nahezu unlösbare Aufgaben gestellt in einer Umgebung, die ihren Autismus nicht hinreichend berücksichtigt, wodurch sie permanent unter massiven Stress geraten. Dennoch wird von ihnen erwartet, dass sie sich „normal“ verhalten, also immer ruhig und höflich sind, nicht in Streit geraten und so weiter. Oft wird versucht dieses Ziel alleine durch Regelverdeutlichungen, Sanktionen und Strafandrohungen zu erreichen statt zu schauen, warum sie sich nicht so verhalten können, wie es von ihnen erwartet wird.
Selbst dann, wenn autistische Kinder ihre Bedürfnisse in einer Situation klar und deutlich äußern, wird dies häufig als Machtkampf bzw. „Austesten“ der Reaktion der Erwachsenen, Sturheit, Egoismus, manipulatives Verhalten oder Trotzverhalten ausgelegt und entsprechend schon aus Prinzip vermieden, dass das Kind „seinen Willen bekommt“, was das Kind in pure Verzweiflung stürzen kann.
Somit wird Rücksichtnahme oft selbst dann vermieden, wenn das Gewünschte im Grunde mit geringem Aufwand problemlos zu erfüllen gewesen wäre. Oft wird einfach nur die Wichtigkeit des Anliegens vom Gegenüber nicht verstanden, da Leute meinen was für sie eine Kleinigkeit ist, könne auch für andere keinen großen Unterschied machen. Die entsprechenden Reaktionen auf die Nichtberücksichtigung dieser dringenden Bedürfnisse von Autisten werden dann als „Wutausbruch“ interpretiert, worin die Erwachsenen sich in ihrer ersten negativen Interpretation des Anliegens noch bestärkt sehen.
Die meisten Leute begreifen einfach nicht, dass es für Autisten schon schwer genug ist überhaupt ihr schulisches Umfeld, Arbeitsumfeld und sonstiges Umfeld auszuhalten, da dies mit Autismus stark erschwert ist, selbst dann, wenn man sämtliche ihrer Wünsche berücksichtigt. Die Kleinigkeiten, die sie erbitten, sind somit keine unverschämten „Extrawürste“ sondern behinderungsbedingt das Mindestmaß, was sie an Entgegenkommen benötigen, um überhaupt in unserer Gesellschaft bestehen zu können und sich nicht in völlige Isolation zurückziehen zu müssen. Nur leider wird dies vom Umfeld nicht so leicht verstanden wie beispielsweise der Wunsch nach Rollstuhlrampen und Fahrstühlen bei Menschen mit starken Gehbehinderungen.
Zudem gibt es wie erwähnt auch Autisten, die ihre Probleme maskieren, um akzeptiert zu werden oder weil es ihnen anerzogen bzw. „antherapiert“ wurde, so dass sie zwar nach außen hin in der Schule oder am Arbeitsplatz unauffällig im Verhalten und somit „wenig autistisch“ wirken, innerlich jedoch genauso zu kämpfen haben und durch die permanente Überstrapazierung auf Dauer gesundheitlich Schaden nehmen. Und das, obwohl man ihnen oftmals durch etwas Verständnis und ein paar kleine Anpassungen bereits große Erleichterung verschaffen könnte.
Nicht selten erleben Autisten statt Entgegenkommen Mobbing, Ausschluss, Ablehnung und Rausschmiss. Aus diesen Gründen leidet ihr Selbstwertgefühl und das Vertrauen in ihre Mitmenschen schwindet. Häufige Folgen davon sind massive manifeste Ängste, Depressionen und sozialer Rückzug bis hin zur völligen selbstgewählten Isolation, und das in manchen Fällen sogar für den Rest ihres Lebens.
Nicht selten wird für derartige Entwicklungen, ebenso wie für sämtliche Verhaltensauffälligkeiten autistischer Kinder und Jugendlicher, pauschal den Eltern die Schuld gegeben, statt auch das schulische und sonstige Umfeld kritisch zu beleuchten oder die Zweckmäßigkeit bislang erfolgter Therapiemaßnahmen in Frage zu stellen. Dies zeigt leider nur zu gut, dass Autismus oftmals vom Umfeld und sogar von Institutionen wie dem Jugendamt nicht verstanden wird, während die Stimmen der Eltern, die ihre Kinder von allen am besten kennen, oft ungehört bleiben, da man ihnen mangelnde Objektivität unterstellt und sie nicht als Experten wahrnimmt.
Um all diese negativen Entwicklungen zu verhindern bzw. zu stoppen schlage ich Brücken zwischen Autisten und Nichtautisten, bin Übersetzer, Coach und Motivator, verhindere Missverständnisse zwischen Autisten und Nichtautisten und trage zu deren Aufklärung bei. Zudem unterstütze ich Autisten darin, ihre eigenen Stärken und Besonderheiten und die Reaktionen ihres Umfelds besser zu verstehen und auf ihrem selbstgewählten Lebensweg voranzukommen.